Vom Kohlenpott zum beliebten Urlaubsziel

Strukturwandel im Ruhrgebiet

Das Ruhrgebiet musste zwei Strukturwandel durchmachen: Bis zum 18. Jahrhundert war es landwirtschaftlich geprägt mit ländlichen Siedlungen und kleinen Handelsstädten am Hellweg. Im 18./19. Jahrhundert wurde das Gebiet wirtschaftlich interessant: Auf der Grundlage der Steinkohle, v.a. durch die Entdeckung der Kokskohle (Kohle mit höherem Brennwert), entwickelte sich die Eisen- und Stahlindustrie.

In dem ersten Wandel, von einer ländlichen Region mit kleinen mittelalterlichen Städten zu einer industriellen Region mit Großstadtbildung, kam es infolge der Industrialisierung und der hierdurch bedingten Masseneinwanderung vor allem aus Osteuropa sowie aus dem Umland, da für die Arbeit viele neue Arbeitskräfte gesucht wurden. Es gab Massenaufrufe für Arbeitskräfte.


Da die vielen Arbeitskräfte auf Wohnraum angewiesen waren, wurden Arbeitersiedlungen gebaut. Beispielsweise für die Arbeiter der Zeche Bottrop gab es eine solche Arbeitersiedlung, die der 2. Generation entsprach. Sie bestand aus Häusern mit vielen kleinen Wohnungen und war zum Teil nach dem Konzept der Gartenstadt gebaut worden. Durch die individuelle grüne Gestaltung sollten sich die Arbeiter/Bewohner wohlfühlen.
Die Zechensiedlungen der ersten Generation waren schematischer mit sehr einförmigen Häusern und wenig Begrünung angelegt. Allerdings hatten die Häuser immer einen Stall für die „Bergmannskuh“ (=Ziege). Das „Rennpferd“ der Bergmänner jedoch war die Taube.
Zum zweiten Strukturwandel ab den 1960er Jahren kam es durch die Kohle- und Stahlkrise.
Hierdurch, aber auch schon durch die Zerstörungen während des Zweiten Weltkrieges, kam es zur Entstehung vieler Brachflächen. Diese Flächen konnten später wieder genutzt werden. Viele der alten Zechen(flächen) fanden andere Nutzungen wie innovative Wohnviertel (Essen 51) oder Gewerbegebiete. Essen 51 ist ein innovativer Stadtteil, der zurzeit noch im Bau ist, mit den neusten digitalen Möglichkeiten. Es erfolgt hier eine Mischung von Wohnen, kleinen Betrieben und Geschäften. Auch auf den ÖPNV wird viel Wert gelegt.

Insgesamt war und ist die Infrastruktur, v.a. die Transportwege, besonders wichtig und ein entscheidender Standortfaktor für das Ruhrgebiet. Die Köln-Mindener-Eisenbahnstrecke, welche sehr wichtig für die Industrie war, und die Durchquerung von Ost nach West durch den Rhein-Herne-Kanal und die Emscher spielten dabei bereits früher eine zentrale Rolle. 

Standort 1: Krupp-Gürtel, Essen

Als erstes sind wir in die Krupp-Stadt in Essen, von welcher Teile (wie z.B. das alte Press- & Hammerwerk in Form eines IKEA Parkhaus) noch erhalten sind, gefahren. Die Entwicklung der Stadt Essen ist ein Beispiel für den Strukturwandel. Essen war früher eine ländliche Region, die von Stadtmauern umgeben war. Darüber hinaus war sie eine Hellwegstadt, was bedeutet, dass sie mit einer Handelsstraße verbunden war. Die heutige A40 entspricht ungefähr der früheren Handelsstraße.

Durch die Masseneinwanderung kam es zur Ausbreitung der Stadt auch außerhalb der Stadtmauern.  Ein gutes Beispiel für eine Firma, die den Strukturwandel in Essen gut überstanden hat, ist die Firma “thyssenkrupp“, früher nur „Krupp“. Krupp ist für die Erfindung des nahtlosen Radreifens für Eisenbahnen bekannt. Nachdem sie während des zweiten Strukturwandels, durch die Kohle- und Stahlkrise herbeigeführt, Insolvenz anmelden mussten, haben sie sich, wie es für die Zeit typisch war, 1996 mit der Firma „Thyssen“ zusammengetan. Der Vorteil des Unternehmens war, dass sie die oben genannten Brachflächen rund um das Gelände von „Krupp“ in Essen wieder nutzen konnten. Da die Unternehmen heutzutage wegen der Technisierung nicht mehr so viel Platz brauchen, stehen einige Flächen immer noch leer, beziehungsweise werden langsam wieder bebaut. Sie wurden beispielsweise als Wohnflächen nahe der Innenstadt genutzt.

Auch für andere Unternehmen, vor allem Autohäuser und die Stadt Essen selbst, hat die “thyssenkrupp“-Zentrale in Essen viele Vorteile. Die Autohäuser haben einen festen Kundenstamm der Klienten und Mitarbeiter von “thyssenkrupp“, und die Stadt und auch die Bürger profitieren von dem firmeneigenen Kindergarten, der auch für eine gewisse Prozentzahl für Nicht-Mitarbeiter-Familie geöffnet ist und somit eine „Last“ von der städtischen Schulter fällt.

Auf der Fahrt von einer Stadt zur anderen war es besonders merkenswert, wie dicht die Städte aneinander liegen und dass die Stadtgrenzen fast fließend ineinander übergehen. Dieses lässt sich durch das starke Bevölkerungswachstum Mitte des 19 Jh. und der Tatsache, dass die Arbeiter nach dem Ansiedeln der Industrien möglichst nah an ihrem Arbeitsplatz wohnen wollten, erklären. So entstanden viele kleine Städte dicht nebeneinander. Um diese Städte dennoch deutlich voneinander unterscheiden zu können, wurden in den 1980er Jahren Ortseingangsschilder zur Orientierung eingeführt.

Standort 2: Tetraeder, Bottrop

Bei Bottrop bestiegen wir eine Halde, die durch Aufschüttung des Abraums der ehemaligen Zeche Prosper Haniel entstand. Insgesamt gibt es mehr als 200 solcher Halden im Ruhrgebiet, die inzwischen zumeist zu begrünten Landschaftsbauwerken umgestaltet worden sind und beliebte Naherholungs- und Aussichtspunkte darstellen.  Einige dieser Halden sind im Zuge der Internationalen Bauausstellung mit „Landmarken“ versehen worden, die weithin sichtbar sind. Auf dieser Halde befindet sich der Tetraeder, ein „luftiges“ Kunstwerk aus Stahl, das man mit vielen Stufen erklettern kann. Von oben hat man einen tollen Blick auf die Umgebung, z.B. auf eine Indoor-Skihalle und die Kokerei Prosper Haniel.

Standort 3: Centr0, Oberhausen

Als nächstes kamen wir in Oberhausen an, wo wir zunächst ein paar grundlegende Informationen über die Stadt bekommen haben. Diese war nicht immer eine Stadt, sondern entstand aus drei Herzogtümern, welche sich 1808 zusammenschlossen. Durch die Industrialisierung wuchs die Stadt und es entstanden viele Arbeitsplätze. Die Industrie wurde als Kernpunkt der Stadt festgelegt, und da viele Menschen nah an ihrem Arbeitsplatz wohnen wollten, siedelten sich diese um das neue Zentrum an.

Als durch die Stahl- und Kohlekrise die Industrie Oberhausens abgebaut wurde, lag in der Mitte der Stadt eine riesige Fläche brach. Diese wurde dann neu bebaut und heute finden sich dort viele Freizeitangebote wie das Centro oder Sealife (à Oberhausen Neue Mitte!). Aber nicht alles wurde dementsprechend genutzt, es gibt in Oberhausen auch viele Grünflächen und Parks, welche den Bewohnern zur Erholung dienen, oder für Veranstaltungen wie Festivals genutzt werden. Dadurch, dass das Freizeitangebot in Oberhausen sehr vielfältig ist, zieht es sehr viele Besucher an und bildet so einen sehr wichtigen Wirtschaftszweig für die Stadt. 

Dann gingen wir ein Stück weiter und kamen über dem Fluss Emscher zum Stehen. Die Emscher liegt neben dem Rhein-Herne-Kanal und wurde früher als offener Abwasserkanal genutzt, weshalb dieser auch sehr übel riecht. Eine unterirdische Entsorgung der Abwässer war damals nicht möglich, denn wegen der vielen aktiven Zechen war die Erde ständig in Bewegung und hätte die Leitungen zum Brechen gebracht. Somit war dieser Fluss die einzige Entsorgungsmöglichkeit für die Abwässer. Heutzutage sind die Zechen allerdings nicht mehr in Betrieb, weshalb es ein unterirdisches Abwassersystem gibt und die Emscher wieder als normaler Fluss dient. Nach diesem Vortrag hatten wir eine Mittagspause im Centro, wo wir die Zeit frei gestalten konnten. Danach ging es mit dem Bus weiter in die nächste Stadt.

Standort 4: Landschaftspark Duisburg-Nord

Der Landschaftspark Duisburg-Nord ist ein industriell geprägter Park, in dem von 1901 bis 1985 Roheisen für die Stahlindustrie produziert wurde. Im Zentrum der 180 Hektar großen Grünfläche steht das stillgelegte Thyssen-Hochofenwerk Duisburg-Meiderich und das Hüttenwerk, welches heute als lebendiges Industriedenkmal erlebt werden kann und für Besucher zugängig ist. Da durch die Stahlkrise 1970 nur ein Hochofen aufwendig saniert werden konnte, wurde nur der Hochofen 5 saniert. Im Jahr 1985 folgte die EU-Stahlquotenregelung, die dafür sorgte, dass am 4. April 1985 die Produktion im Hüttenwerk Meiderich endete.

Die Idee einer neuartigen, industriell geprägten Natur- und Kulturlandschaft wurde 1989 geboren. Auf dem etwa 180 Hektar großen Areal im Duisburger Norden entstand nach dem Entwurf von Prof. Peter Latz und Partner ein Landschaftspark, der weder Park noch Landschaft im ursprünglichen Sinne ist, sondern ein Park, der die alte Geschichte mit Freizeit, Kultur und Kunst verbindet. Die ehemaligen Gießhallen, in denen früher das flüssige Roheisen aus den Hochöfen weiterverarbeitet wurde, dienen heute verschiedenen Zwecken. Eine der Gießhallen wird für Veranstaltungen und kulturelle Projekten genutzt, die anderen für Konzerte, Open-Air-Kino oder als Hochseilgarten. Der Gasometer wird heute als größte Indoor-Tauchanlage Europas genutzt. Mit einer Tiefe von 13 Metern, einem künstlichen Riff mit Schiffswrack und anderen Kulissen wurde in der Hülle des ehemaligen Gasspeichers eine Unterwasserlandschaft der besonderen Art geschaffen.

Früher entstand bei der Produktion von Roheisen als wesentliches Nebenprodukt Gichtgas, welches in gereinigter Form zum Antrieb der Großgasmaschinen in der Kraftzentrale genutzt wurde. Da Produktion und Verbrauch von Gichtgas nicht immer gleich hoch waren, wurde ein Gasometer als großer Puffer eingesetzt. Des Weiteren befindet sich auf dem Gelände die Dampfgebläsemaschinenhalle mit dem angebauten Pumpenhaus und der Elektrozentrale, welche seit Werksgründung der Heißwinderzeugung und Energieversorgung diente. Sie wurde bereits 1902 errichtet und gehört damit zu den ältesten erhaltenen Gebäuden auf dem Gelände des Landschaftsparks. Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Emscher Park (IBA) wurde der Gebläsehallenkomplex 1993 zum Veranstaltungsort für z.B. Firmenmeetings, Catering usw. umgebaut.

Die früheren Bunkertaschen in die Roheisen, Sand und Kalk gefüllt wurden, dienen heute als Klettergarten des Deutschen Alpenvereins Duisburg. Eine weitere Attraktion des Landschaftsparks ist der Hochofen 5, welcher zuletzt am 4. April 1985 – 33 Jahre nach seiner Errichtung – genutzt wurde. Gebaut wurde er 1952 als Ersatz für den alten Hochofen 4. Erst im Jahr 1973 erhielt er sein heutiges Aussehen, umgeben von einem Gerüst mit eingebauten Bühnen, Treppen und Podesten. In den achtziger Jahren wurde er, kurz vor seiner Schließung, noch einmal aufwändig von Grund auf saniert. Er erfüllte mit seinem modernem Kühlsystem und seinen Winderhitzern strenge Umweltschutzauflagen, doch die Stahlquoten-Beschlüsse der EG waren der Grund für seine Stilllegung. Als begehbarer Aussichtsturm steht der Hochofen 5 seit 1994 der Öffentlichkeit zur Verfügung.

Heute ist der Wandel vom Kohlerevier zur Dienstleistungsstruktur weitgehend abgeschlossen. Folglich probieren die Städte im Ruhrgebiet weiterhin mit vielen verschiedenen Vorgehensweisen die Attraktivität ihrer Stadt beizubehalten. Eine weitere Methode, um die Städte im Ruhrgebiet möglichst attraktiv zu gestalten, ist es, die Städte auf eine möglichst umweltschonende Lebensweise einzustellen. Ein Beispiel in Bottrop ist die  „InnovationCity“, ein städtisches Pilotprojekt zur CO2-Reduktion, bei dem mittels Fördergeldern innerhalb von 10 Jahren die CO2-Emissionen des Stadtteils um 50% reduziert wurden.  Solche „Innovation Cities“ sollen ausgeweitet werden und als „Innovation City Ruhr“ ll auf das gesamte Ruhrgebiet ausgedehnt werden. Ziel ist es, das in Bottrop erfolgreich umgesetzte Konzept auf weitere Quartiere im Ruhrgebiet zu übertragen.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.