17 Tage in Lima – eine erfahrungsreiche Zeit

Die Herbstferien 2016 waren für 12 Schülerinnen der 9. Klassen und eine Schülerin aus der 10. Klasse der Angelaschule eine ganz besondere Zeit: Zusammen mit Frau Köster und Herrn Meyer flogen sie am 6. Oktober nach Lima, um unsere beiden Partnerschulen in Lima zu besuchen.

Der Austausch mit dem Colégio Santa Ursula, der jetzt zum 7. Mal stattfand, ermöglicht es uns, das Alltagsleben der peruanischen Mittelschicht, das Schulleben, die Stadt Lima mit ihren verschiedenen Facetten sowie Ziele in der Umgebung kennenzulernen. Ein Schwerpunkt ist immer der Besuch des Colégio San José in Miramar, die „Armenschule“, die wir seit inzwischen 30 Jahren mit unseren Spendengeldern regelmäßig unterstützen.

Während des 17-tägigen Aufenthalts trafen wir uns an den Unterrichtstagen morgens immer pünktlich um 7.30 Uhr im Colégio Santa Ursula, haben Unterrichtsstunden besucht, in Gruppen zu bestimmten Themen gearbeitet  oder Besichtigungen in Lima gemacht. Die Wochenenden und Nachmittage/Abende (der Unterricht endet immer um 15 Uhr) blieben Aktivitäten in bzw. mit den Familien vorbehalten, mit Ausnahme von einigen gemeinsamen Ausflügen.

Kurzfassungen unserer Erlebnisse bzw. der Gruppenarbeitsergebnisse und die Fotogalerie beleuchten einige Aspekte des Austausches intensiver:

Lima (Rieke Lübbe, Hanna Wortmann, 9a)

Lima ist die Hauptstadt des südamerikanischen Landes Peru und liegt an der pazifischen Küste. Die Stadt hat ca. 9 Millionen Einwohner und wurde am 18. Januar 1535 gegründet. Mit einer Fläche von 2627 km2 ist sie die größte Stadt des Landes und liegt 161 Meter über dem Meeresspiegel. Lima liegt in der tropischen Klimazone und die Jahressdurchschnittstemperatur beträgt 19,4°C (zum Vergleich Osnabrück 9,4°C). Wegen des kalten Humboldtstromes ist es häufig sehr nebelig. Die Stadt ist in 43 Viertel unterteilt. Zu den schönsten Stadtteilen zählen Miraflores, San Isidro und Barranco. Miraflores und San Isidro (hier liegt auch das Colégio Santa Ursula) gehören zu den reichsten und sichersten Bezirken Limas, hier ist das wirtschaftliche, politische und kulturelle Zentrum von Lima. Barranco wird als Künstlerviertel bezeichnet und ist sowohl bei Einheimischen als auch bei Touristen sehr beliebt. In Lima gibt es viele verschiedene Parks z.B. den Parque de las Leyendas, ein Tierpark und den Parque de Reserva, in dem es viele Springbrunnen gibt, die nachts beleuchtet werden. Außerdem sind in Lima mehrere große Einkaufszentren zu finden, z.B. Larcomar, ein modernes Einkaufszentrum direkt am Meer, oder Jockey Plaza, das größte Einkaufszentrum der Stadt.
Der größte Teil der Stadt besteht aber aus Hüttenvierteln, wo vor allem die vielen Zuwanderer aus den rückständigen Regionen des Landes unter sehr armen Bedingungen leben.

Die Mittelschicht in Peru (Clara Fremuth, Ronja Britzwein, 9c)

Im Gegensatz zu den ärmeren Familien  leben unsere Gastfamilien in modernen Einfamilien- oder Hochhäusern, die umzäunt und bewacht werden, da die Kriminalität in Lima sehr hoch ist.

Jedes Familienmitglied besitzt in der Regel ein eigenes Zimmer, häufig sogar ein eigenes Badezimmer. Viele Familien haben eine Haushaltshilfe aus den ärmeren Vierteln, die für das Kochen und Putzen zuständig ist. Da viele einen weiten Weg haben, wohnen einige von ihnen mit im Haus und fahren nur am Wochenende nach Hause.

Das Essen ist den Peruanern sehr wichtig. Sie gehen häufig und viel Essen, wobei sie Wert auf Qualität legen. Das Essen in Restaurants ist in Lima deutlich preisgünstiger als bei uns.

In ihrer Freizeit besuchen die Familien Clubs. Diese sind bewacht und man kommt in sie nur durch Einladung herein oder man ist Mitglied und muss hohe monatliche Beiträge bezahlen. Der Einlass erfolgt durch strenge Kontrollen, dafür kann man sich im Innern frei bewegen und alle Bereiche des Clubs benutzen, zum Beispiel Sportanlagen oder Restaurants.

Eine beliebte Freizeitbeschäftigung ist auch das Flanieren oder Shoppen in den großen Einkaufszentren (s.o.), die auch am Wochenende geöffnet haben. Typisch ist, dass die peruanischen Mädchen der Mittelschicht nie alleine auf die Straße gehen. Sie werden wegen der Gefahr möglicher Überfälle immer von den Eltern oder Vertrauenspersonen im Privatauto oder Privatbus transportiert.

Santa Ursula (Jana Vornholt 9c, Franka Meyer 10b)

Die Schule „Santa Ursula“ in San Isidro, einem reicheren Stadtteil Limas, ist eine Ursulinenschule, die 1936 von deutschen Ursulinen gegründet wurde. Angeschlossen ist das Kloster mit zurzeit 13 Nonnen, sowohl deutsche als auch polnische, kubanische, brasilianische und peruanische Nonnen, die wir bei einer Einladung zum Mittagsessen kennenlernen konnten.

Zur Schule gehen dort ca. 1100 Schülerinnen, die dort, wie in Peru üblich, Schuluniformen tragen müssen. Die Privatschule ist eine Art Gesamtschule mit Kindergarten, Grund- und weiterführender Schule mit Deutsch als Schwerpunktsprache. Hier bekommen diejenigen, die sich den Besuch einer Privatschule leisten können (das Schulgeld beträgt ca. 300 € pro Monat) eine gute Schulbildung. Die Ausbildung an den kostenlosen staatlichen Schulen ist aus verschiedenen Gründen deutlich schlechter.

Trotzdem erschien uns der Unterricht an Santa Ursula weniger anspruchsvoll als der an der Angelaschule, was aber wohl daran liegt, dass es in Peru nicht die Einteilung in Haupt- Realschule und Gymnasium gibt.

Weiterhin empfanden wir die Beziehung zwischen Lehrern und Schülern anders als die in Deutschland. Sie ist viel familiärer und emotionaler, Lehrer werden von Schülern geduzt und auch zur Begrüßung umarmt.

Etwas anderes, was einem dort sofort ins Auge fällt, ist, dass auf Sicherheit viel Wert gelegt wird. Die Schule ist von einer dicken Mauer umgeben und durchgehend von Sicherheitsmännern bewacht. Wenn man zu spät kommt, kann es passieren, dass man nicht mehr in die Schule hereingelassen wird, sondern „als Strafe“ wieder von den Eltern abgeholt werden muss. Keine peruanische Schülerin fährt mit dem Fahrrad zur Schule, weil dies wegen des Verkehrs und der Kriminalität zu gefährlich wäre.

Miramar (Antonia Wallenhorst, 9a, Jil Wessels, 9d)

Bei Spendenaktionen spendet man oft nach Miramar, aber was ist Miramar eigentlich?
Miramar liegt in San Miguel, einem eher armer Stadtteil von Lima. Da Miramar direkt an der Küste liegt heißt es auch Meeresblick. Seit 1986 unterstützten wir die Armenschule San José, die 1952 von Ursulinen gegründet wurde. Sie vereint eine Schule, einen Kindergarten und ein Kloster. Die Kinder bekommen hier Hilfe und eine Basis für ihr späteres Leben. Hier können die Kinder Hobbys entwickeln und bekommen eine warme Mahlzeit am Tag, welche von unseren Spenden mit finanziert wird. An der Schule gibt es eine Psychologin, die den Kindern hilft über familiäre Probleme, wie Gewalt, Sexualstraftaten und Alkoholmissbrauch hinwegzukommen. Zurzeit gehen ungefähr 500 Kinder in den Kindergarten oder auf die Schule, die zwischen 2-bis 13 alt sind. Auf der Schule gibt es 27 Lehrer, davon werden aber nur 20 vom Staat bezahlt, die anderen Lehrer vom Ursulinenorden. Die Kinder werden von den Schwestern nach Bedürftigkeit ausgewählt. Wie in jeder Schule tragen die Kinder Schuluniformen, die teilweise von der Santa Ursula Schule gespendet werden. Der Schulalltag der Schüler geht von 8-13 Uhr.
Als wir die Schule besuchten, haben wir mit den Kindern gespielt und gemalt. Außerdem haben wir zusammen mit den Schwestern das Viertel und die Familien besucht. Am letzten Tag nahmen wir mit den Kindern an einer Sportolympiade teil, die den Kindern sehr viel Spaß gemacht hat. Obwohl man Miramar eher mit Armut und Traurigkeit verbindet sind die Kinder glücklich und fröhlich. Der Opa eines Kindes hat gesagt, das die Menschen arm sind, aber ein großes Herz haben und genau das konnten wir so erleben.
Da der Stadtteil San Miguel u.a. durch die Anlage einer grünen Promenade entlang der Küste in den letzten Jahren immer attraktiver wurde und dadurch die Grundstückspreise stiegen, hat sich das Viertel deutlich verändert. Es werden immer mehr Grundstücke mit einfachen Hütten, die von armen Familien für geringes Geld gemietet worden waren, an Investoren verkauft. Diese reißen die Hütten ab und bauen moderne Appartementhäuser, die sich die ganz armen Familien nicht mehr leisten können. Somit werden sie in andere, ärmere Stadtteile verdrängt. Dieses wirkt sich natürlich auch auf die Schülerschaft in San José aus, die inzwischen nur noch zum Teil aus bedürftigen Verhältnissen kommt.

Besuch in einem sehr armen Stadtviertel (Hanna Wilken, Nele Witte, 9d)

Besonders beeindruckend war der Besuch am Dienstag, dem 18. Oktober in Chorrillos, einem sehr armen Stadtviertel Limas. Vor Ort haben wir Padre Juan kennengelernt, der uns durch das Viertel geführt und uns von den Menschen, die dort leben, und von seinem Werk erzählt hat. Nachdem er in Deutschland studiert und gelebt hat, ist er nach Lima zurückgekehrt und hat dort die „Casa de los talentos“ aufgebaut.

Die Menschen in dem Viertel haben keine festen Häuser. Sie leben meist in großen Familien mit bis zu 10 Personen in schlichten Behausungen aus Pappe oder einfachen Holzplatten, aus denen sie sich ihre Unterkünfte selbst zusammen bauen. Die Behausungen stehen dicht aneinander gedrängt und besitzen oftmals nicht einmal Fenster oder feste Türen. Die Bewohner haben kein fließendes Wasser zur Verfügung und sind nur zum Teil legal an das Stromnetz der Stadt angeschlossen. Überall sieht man Hunde in den Straßen und vor den Häusern, die auf den geringen Besitz aufpassen, während die Eltern und manchmal auch deren Kinder den ganzen Tag arbeiten.
Die meisten Kinder besuchen aber eine Schule. Einige von ihnen haben das Glück, dass sie nach dem Unterricht bei Padre Juan in der „Casa de los talentos“ einkehren dürfen, täglich sind dies bis zu 200 Kinder und Jugendliche. Die „Casa de los talentos“ wurde vor etwa vier Jahren gegründet und verfügt über mehrere Räume mit Spiegeln (zum Tanzen) und eine Kapelle. Das Haus wird von Padre Juan geführt, der für die Kinder wie ein Vater ist. Hier können sie Hausaufgaben erledigen und tageweise in verschiedenen Gruppen ihren Lieblingsaktivitäten, zumeist verschiedenen Tanzarten, nachgehen und damit Talente und Fähigkeiten ausbilden bzw. erwerben. Für das Zusammenleben gibt es zumindest zwei feste Regeln: Alkohol und Drogen sind verboten und es darf keine Gewalt angewendet werden. Hierdurch schafft Padre Juan ein beeindruckendes Gemeinschaftsgefühl, das jeden Besucher berührt. Die Älteren passen jetzt auch auf den Straßen auf die Jüngeren auf, was früher nicht der Fall war.

In langen Gesprächen hat Padre Juan uns schnell von seiner Arbeit überzeugen können und wir sind nachdenklich und mit schönen Erinnerungen zu unseren Gastfamilien gefahren.

Ausflug mit den Familien (Lucia Deppen, 9c)

Am Sonntag, dem 9. Oktober, haben wir mit den Peruanerinnen und einigen Eltern bei angenehm warmem Wetter einen Tagesausflug zu den Lomas de Lachay und nach Chancay, ca. 100 km nördlich von Lima, gemacht. Die Lomas von Lachay sind  ein in der wüstenhaften Küstenregion gelegenes, bergiges Gebiet, das durch den Küstennebel besonders viel Feuchtigkeit erhält.  Daher besitzt dieses nationale Naturreservat  eine sehr üppige Vegetation  mit  so manche seltenen Pflanzen und Tiere. Es hat   einen sehr alten, traditionellen Ursprung und eine interessante Geschichte, die auch auf die Inka-Kulturen verweist. Dort haben wir eine gemeinsame, geführte Wanderung  durch die mit vielen Büschen und Bäumen begrünten Berge gemacht. Mittags sind wir in einem Restaurant eingekehrt, wo wir die peruanischen Spezialitäten genießen konnten. Die Peruaner hatten dort viel für uns vorbereitet: Sie haben u.a. für uns eine Tanzgruppe engagiert, die uns ein paar traditionelle Tänze präsentiert hat. Deren traditionelle Kleidung ist sehr beeindruckend und man erfährt eine ganz neue Art von Musik und Tanz, die einem sofort gute Stimmung bereitet.

Ausflug nach Paracas (Lea Münsch, 9c)

Am 15. Oktober, einem Samstag, haben wir alle zusammen einen Ausflug nach Paracas, ca. 300 km südlich von Lima gelegen, gemacht. Da die Hinfahrt vier Stunden dauerte, sind wir schon um 6 Uhr losgefahren.

In Paracas haben wir dann eine Tour mit einem Motorboot zu den Islas Bellestas, einer unter Naturschutz stehenden Inselgruppe im Pazifik, unternommen. Auf der Tour haben wir viele interessante Seevögel (z.B. Pinguine und Pelikane) und Seelöwen gesehen. Das war beeindruckend, vor allem, weil wir ganz nah an die Seelöwen heranfahren konnten. Auch haben wir den berühmten Candelabro de Paracas sehen können, ein fast 200 Meter hohes, in den Wüstensand  gezeichnetes Bild, das einem dreiarmigen Kerzenleuchter ähnelt, und dessen Ursprung und Bedeutung bis heute ein Rätsel ist. Nach der abenteuerlichen und auf dem Rückweg wegen starken Windes sehr turbulenten Bootsfahrt waren wir alle zusammen essen. Anschließend sind wir zu einer Oase in der Wüste gefahren, um dort mit Sand-Buggys in die Sanddünen zu fahren und dort im Sand zu surfen. Das hat richtig Spaß gemacht und war etwas ganz Besonderes.

Es war wirklich eine tolle Erfahrung, die wir nie vergessen werden. Nach der Wüstentour sind wir fünf Stunden nach Hause zurückgefahren. Es war ein anstrengender, aber schöner und unvergesslicher Tag.

Insgesamt haben wir alle eine sehr erfahrungsreiche, schöne Zeit gehabt. Dazu trug vor allem die Herzlichkeit bei, mit der die Mädchen von den Familien aufgenommen und integriert  wurden. Dementsprechend war der Abschied sehr tränenreich – da konnte nur die Aussicht trösten, dass sich zumindest die Mädchen im Mai/Juni  2017 in Osnabrück wiedersehen können.

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