Eine Stadt – verschiedene Welten: Das Leben in Lima

Angelaschülerinnen zu Gast bei Ursulaschülerinnen in Lima

Nach intensiver Vorbereitung sind wir, eine Gruppe von 10 Schülerinnen aus den Jahrgangsstufen 9 zusammen mit Frau Köster und Herrn Butke am 15.10.2011 voller Erwartungen, z.T. auch mit gewissen Befürchtungen oder Ängsten, nach Lima geflogen. Dort, fast 11 000 km von der Angelaschule entfernt, wurden wir von unseren Gastfamilien ausgesprochen herzlich empfangen und aufgenommen, so dass die Ängste schnell verflogen und wir uns „wie zu Hause“ fühlen konnten.

Lena: „Die Gastfamilien haben uns unglaublich freundlich empfangen. Es war, als hätte man eine zweite Familie. Sie haben sich um uns gesorgt und versucht, uns die Zeit in Peru zu einem unvergesslichen Erlebnis zu machen. Ich denke, das ist ihnen sehr gut gelungen.“

Das Familienleben in unseren Gastfamilien ist zum Teil ähnlich wie bei uns in Deutschland, z.T. unterscheidet es sich aber deutlich: Auch die Mädchen in Lima interessieren sich für Sport, Musik (einige Schülerinnen haben z.B. ein Konzert von Justin Bieber besucht), Mode, Facebook etc. Allerdings verlassen sie das Haus nie allein: Wegen der Gefährlichkeit auf Limas Straßen werden sie immer von ihren Eltern, mit Privatbussen, Privattaxen oder ähnlichem transportiert. Die Freizeit verbringen die Familien außer zu Hause meist nur in wohlhabenden, sicheren Stadtvierteln oder in privaten Clubs, zu denen nur Mitglieder Zutritt haben. Man geht in Lima auch viel häufiger zum Essen aus, nicht zuletzt weil Essen gehen dort auch nur halb so teuer ist wie bei uns.


Zu einem erheblichen Teil wird der Tagesablauf der Mädchen aber durch die Schule Santa Ursula bestimmt, ein „Gymnasium für Mädchen( aus wohlhabenden Familien), an das Grundschule, Kindergarten und Ursulinenkloster angeschlossen sind. Sowohl in der Schule als auch im Kindergarten spielt der Deutschunterricht eine wichtige Rolle, sodass viele Stunden in der Woche für diesen investiert werden. Die wichtige Rolle dieser Sprache spiegelt sich auch innerhalb der Schule wieder, beispielsweise sind die Türen in Spanisch und in Deutsch beschriftet.“ (Judith und Theresa)

Der Unterricht dauert dort jeden Tag von 7.45 bis 15 Uhr, häufig bleiben die Mädchen aber auch noch länger, um an bestimmten Arbeitsgemeinschaften (Musik, Sport, Ballet o.ä.) teilzunehmen. Insgesamt läuft der Unterricht ähnlich ab wie bei uns, wobei die Lehrer/innen zwar als unterschiedlich streng, aber eigentlich immer recht freundlich erlebt wurden.

Die peruanischen Schülerinnen wirken in ihrer Schuluniform (blau-grün-karierter Faltenrock, weiße Bluse, blaue Strickjacke und Kniestrümpfen) auf den ersten Blick sehr brav, auf den zweiten stellt sich aber schnell heraus, dass sie mindestens genauso viel im Unterricht „schwatzen“ oder andersweitig abgelenkt sind, wie das auch bei unseren Schülerinnen in der Angelaschule der Fall ist.


Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen der Ursulaschule und unserer Schule stellt die Unterstützung der Armenschule San José in Miramar dar. Die Ursulaschule unterstützt diese mit Lebensmitteln, Lehr- und Lernmaterialien sowie auch personell, indem z.B. ältere Ursulaschülerinnen dort Nachhilfeunterricht geben . Auch werden gemeinsame Projekte, z.B. Tanzprojekte, durchgeführt.

Der Besuch dieser Armenschule in Miramar, einer Grundschule bis zum 6. Schuljahr mit angeschlossenem Kindergarten, war dann auch einer der Höhepunkte unseres Aufenthaltes in Lima. An drei Tagen hatten wir Gelegenheit, diese Einrichtungen kennen zu lernen und auch in verschiedenen Gruppen mitzuarbeiten.

Lisa und Lotta:

In der Armenschule wurden wir sehr herzlich von den Schwestern sowie auch von den Kindern aufgenommen. Man hat uns Lieder vorgesungen oder auch etwas vorgetanzt. Die Schule ist liebevoll eingerichtet, viel besser, als wir gedacht hatten. Da hat man gesehen, dass unsere Spendengelder wirklich ankommen. Sie wurden z.B. für den Bau neuer Toiletten verwendet. Für uns war wichtig zu sehen, dass San Jose nicht nur eine Schule ist, sondern dass da noch viel mehr hintersteckt, wie z.B. eine Sozialstation.“

In dieser Sozialstation wird z.B. außer einer sehr preiswerten Essensausgabe für bedürftige Familien des Viertels auch versucht, für die oft alleinerziehenden, sehr armen Mütter etwas zu tun: Sie können hier Nähen lernen, Karten basteln oder beim Kochen mithelfen und sich dadurch etwas Geld verdienen. Zudem gibt es Angebote für Jugendliche aus dem Viertel, um diese von der Straße zu holen. Außerdem bietet Miramar eine für die Kinder kostenlose, für Erwachsene aus dem Viertel sehr preiswerte medizinische Versorgung an.

Foto 12: neue Toiletten

Die eigentliche Bedeutung der Miramareinrichtungen erschließt sich einem v.a. dann, wenn man das zugehörige Stadtviertel und die dort wohnenden Menschen besucht, wie wir es auch getan haben.

Jule und Julia:“ Der Ausflug ins Viertel Miramar war sehr bewegend, wir haben die dortigen Umstände hautnah erleben können. Die Familien leben in einer Welt, die für uns völlig fremd ist“. Nicht selten wohnen bis zu 8 Personen in einem kleinen, z.T. fensterlosen 1-Zimmer- Haus, eigentlich eher als Hütte zu bezeichnen. Geschlafen wird auf einfachen Matratzen im oft nur durch Tücher abgetrennten hinteren Teil des Raums oder auf einer über eine Leiter zu erreichenden Holzdecke. Eine Privatsphäre ist somit kaum vorhanden. Familiärer Stress, Arbeitslosigkeit, Gewalt, Kriminalität und Drogen gehören zum Alltag der Familien. Wie die Kinder unter diesen Umständen Hausaufgaben machen können, ist kaum vorstellbar. Zum Glück bietet die Schule San Jose hierfür Möglichkeiten. Manche Kinder bekommen in der Schule auch die einzige Mahlzeit am Tag. Darüber hinaus können die Schüler dort saubere sanitäre Anlagen benutzen, die es in der Regel bei ihnen zu Hause nicht gibt. Ein öffentlicher Wasserhahn, eine Toilette und Dusche muss nicht selten für 40 Personen reichen. Trotzdem haben wir die Menschen als fröhlich erlebt, sie waren stolz darauf, dass sie uns etwas zeigen konnten und fühlten sich durch das Interesse, das wir ihnen entgegenbrachten, auch ein wenig geehrt.

Die Bedeutung der Schule liegt somit nicht nur in einer Wissensvermittlung und Erziehung, sondern auch in der Sicherstellung einer ausreichenden Ernährung, medizinischer und psychologischer Betreuung der Kinder. Insbesondere letztere spielt eine wichtige Rolle, wie wir im Interview mit einer der dort beschäftigten Psychologinnen erfahren haben. Nicht zuletzt vermittelt die Schule ihren Schülern das Gefühl, dass auch sie „etwas wert sind“, eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass sie später ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen und einen Weg aus der Armut und Hoffnungslosigkeit heraus finden.

Insgesamt haben wir in Miramar ein ganz anderes Lima erlebt als das, in dem die Ursulaschülerinnen leben und somit einen tiefen Einblick in die tiefen sozialen Unterschiede innerhalb dieser Stadt erhalten.

Weitere Facetten der Stadt, die wir kennengelernt haben, sind großzügige Parkanlagen, eine Steilküste mit wunderbarem Blick auf den Pazifik, das historische Zentrum, das als Weltkulturerbe ausgezeichnet ist, traditionelle Inka-Märkte und moderne Einkaufszentren, sowie Inka- und Vor-Inka-Kultstätten.

In einigen Ausflügen haben wir auch die Umgebung Limas erkundigt bis hin zu 300 km südlich gelegenen Vogelinseln mit Pinguinen und Seelöwen sowie einer Oase inmitten der Sandwüste, die wir in einer Wüstentour hautnah erleben konnten.

 

Foto 30-32: Sandsurfen

Insgesamt waren die 3 Wochen unseres Aufenthaltes sehr erlebnisintensiv, so dass wir noch lange davon zehren werden. Und wir freuen uns auf den Gegenbesuch im Mai/Juni diesen Jahres!

Barbara Köster